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Reparatur eines Disco Power Amplifier / Verstärkers Xtension X 1000

 


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Vorwort

Im Sommer 2021 habe ich einen defekten Diskotheken-Verstärker mit der Bezeichnung Xtension X 1000 auf den Tisch bekommen, ein Gerät für den Einbau in ein 19"-Rack mit 3 Höheneinheiten und einer Masse von ca. 20kg.
Die Bezeichnung X 1000 steht hierbei für eine RMS-Ausgangsleistung von respektablen 1000 Watt, die sich zu je 500 Watt pro Stereo-Kanal aufteilen.


Leider findet man im Internet nur äußerst spärliche Informationen zu diesem Gerät.

Demnach wurde der Verstärker bis in die 1990er Jahre hinein von der Firma Steinigke vertrieben, Informationen zu diesem Gerät liegen dort aber nicht mehr vor.
Ob es weitere Lieferanten gab, ist ebenfalls nicht bekannt.

Angaben zum Hersteller sucht man vergeblich und auch das Gerät selbst trägt dazu keinerlei Aufschriften zur Identifizierung.

Dasselbe gilt für technische Unterlagen jeglicher Art.
Xtension X 1000
Der Disco Power Amplifier Xtension X 1000


Frontplatte
Blick auf die Frontplatte des Xtension X 1000
 
Rückwand
Blick auf die Rückwand des Xtension X 1000


Wenn man lange genug sucht, dann findet man eine Verbindung zur Firma Zeck, einem ehemaligen Hersteller hochwertiger Audio-Technik.

Im Zusammenhang mit der Firma Zeck wiederum stößt man u. a. auf Bilder älterer Verstärker, deren Innenleben teilweise sehr ähnlich zum Aufbau des vorliegenden Xtension X 1000 sind. Z. B. zeigt das im Internet verfügbare Service Manual zum Zeck A 605 weitgehend die gleichen Bauteile, wie sie auch im Xtension X 1000 verbaut sind.

Irgendeine Verbindung zwischen den Herstellern Zeck und Xtension muss es also gegeben haben und diese bestand nach Auskunft der Firma SAM - sound and more darin, dass nach Beendigung der Produktion bei Zeck deren Leiterplattenlieferant weitere Baugruppen an andere Hersteller verkauft hat. In diesem Rahmen ist vermutlich auch der Xtension X 1000 entstanden, von dem ansonsten praktisch nichts bekannt ist.


Schaltbild und Bestückungsplan des 500W-Endverstärkers

Leider enthalten die verfügbaren Unterlagen ähnlicher Geräte mehrere Fehler bzw. bilden den Xtension X 1000 nicht korrekt ab.
Neben Fehlern in der Indizierung sind z. B. Bauteile bestückt, die nur einseitig angeschlossen sind und somit keine Funktion haben. Auf der Leiterplatte von Kanal 2 fehlt Z-Diode CR104, wodurch die in Reihe geschaltete Diode CR105 ebenfalls unwirksam wird - der Verstärker funktioniert trotzdem. Auch das Schaltbild ist an mehreren Stellen unvollständig.
Basierend auf Unterlagen ähnlicher Geräte wurden deshalb nach Verifizierung jedes einzelnen Bauteils sowie jeder einzelnen Verbindung beide Pläne neu erstellt.


Schaltbild
Schaltbild des 500W-Endverstärkers im Xtension X 1000
 
Bestückungsplan
Bestückungsplan des 500W-Endverstärkers im Xtension X 1000


Die Eingangsstufe bildet ein Differenzverstärker aus den Transistoren Q100 und Q101, der von der Stromquelle Q102 versorgt wird. Der Strom beträgt etwa 0,25mA pro Zweig und ist somit sehr gering.

Von den Widerständen R115 und R116 gelangt das Differenzsignal in den nächsten Differenzverstärker, bestehend aus den Transistoren Q106 und Q107, die jeweils von einem Strom von etwa 2,5mA durchflossen werden. Als Kollektorwiderstände arbeiten die Transistoren Q104 und Q105, wobei Q104 als Stromspiegel für Q105 dient.
Da Stromquellen sehr hochohmig sind, wird in dieser Stufe eine sehr hohe Verstärkung erreicht, die mit einer starken Gegenkopplung auf den erforderlichen Wert verringert werden muss. Der Vorteil ist hierbei, dass durch eine starke Gegenkopplung auch die Verzerrungen stark reduziert werden.

Die Gegenkopplung übernimmt in diesem Fall der Widerstand R105 in Verbindung mit R107 und C101, woraus sich eine Wechselspannungsverstärkung von etwa

vu = Uaus / Uein = (R105 + R107) / R107 = 45

errechnet. Für eine Ausgangsleistung von 500W an 4Ω (entsprechend ca. 45Veff) ist demnach eine effektive Eingangsspannung von 1Veff erforderlich.

Von den Kollektoren der Transistoren Q105 und Q107 gelangt das Signal auf die Treiberstufe aus Q110 und Q111. Zwischen den Gates dieser Transistoren befindet sich das Trimmpoti R114 zur Einstellung des Ruhestroms der Endstufe. Dieser soll gemäß der Service-Unterlagen eines ähnlichen Gerätes nur 20mA betragen und ist somit ebenfalls sehr gering.

Die Quasi-Komplementärendstufe besteht aus den NPN-Transistoren MJ15003, von denen im positiven und negativen Zweig jeweils 3 parallel geschaltet sind.

Über das Relais K2 wird das Ausgangssignal schließlich an den Lautsprecherausgang geschaltet.

Der untere Teil des Schaltbildes zeigt die Schutzschaltung des Verstärkers, deren Herzstück der integrierte Schaltkreis STW P511R bildet. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich der bekannte Timer-Baustein mit der Ziffernfolge 555, allerdings konnte nicht herausgefunden werden, ob es die bipolare Ausführung NE555 oder eine CMOS-Variante (z. B. ICM7555) ist. Der relativ hohe Wert des Widerstandes R159 von 680kΩ spricht jedoch für eine CMOS-Variante.

Die Schutzschaltung überwacht mehrere Einflussgrößen, die den Verstärker und/oder den angeschlossenen Lautsprecher im Fehlerfall zerstören könnten.
Widerstand R159 und Kondensator C124 bestimmen die Einschaltverzögerung für das Relais K2, um den Einschaltstromstoß vom Lautsprecher fernzuhalten. Anstelle des im Schaltplan ursprünglich angegebenen Wertes für C124 von 1,5µF war ein Tantal-Kondensator mit nur 1µF verbaut, woraus eine Einschalt-Zeitkonstante von τ = R · C = 680ms resultiert.
Über die Diode CR116 wirkt des weiteren ein PTC-Widerstand, welcher sich im Kühlkörper der Transistoren befindet. Wird er durch Hitzeentwicklung hochohmiger, dann wird die Spannung am Widerstand R157 kleiner und der Timer schaltet das Relais ab.
Über die Widerstände R133 und R143 wird der Ausgang vor und hinter dem Relais überwacht. Geht die Spannung dort zu sehr ins Positive oder ins Negative - z. B. durch eine defekte Sicherung - , dann wird einer der Transistoren Q116 und Q117 leitend und der Timer schaltet das Relais ebenfalls ab.
Eine weitere Information wird mittels Diode CR118 eingekoppelt - und zwar über einen evtl. Kurzschluss am Ausgang des Verstärkers. Zu diesem Zweck wird die Spannung an R125 von Transistor Q108 überwacht. Wird sie durch einen Kurzschluss am Ausgang zu groß, dann wird Q108 leitend und zieht über Diode CR102 die Basis von Q103 auf niedriges Potenzial. Q103 wird leitend und ein positiver Strom fließt über R109, CR118, R132 und R134 in die Basis von Q116. Dieser wird ebenfalls leitend und das Relais K2 fällt ab.

Die Bauteile R139, C114, R138, L100 und C118 dienen der Unterdrückung von Schwingneigung, was allerdings nur unzureichend funktioniert - dazu später aber mehr.

Unklar ist die Funktion der Dioden CR104 und CR105.
Auf der Leiterplatte von Kanal 1 waren beide Bauteile bestückt, auf der Leiterplatte von Kanal 2 fehlte jedoch CR104, wodurch auch CR105 unwirksam wurde.
Im Rahmen der unten beschriebenen Tests wurde auf der Leiterplatte von Kanal 2 die fehlende Diode CR104 probehalber nachbestückt mit dem Ergebnis, dass dadurch die Ausgangsleistung auf unter 100W an 4Ω begrenzt wurde - CR104 wurde daraufhin natürlich wieder entfernt.
In Kanal 1 trat dagegen keine Begrenzung auf und das legte den Schluss nahe, dass eine der Dioden CR104 oder CR105 defekt und somit unwirksam sein müsste. Genau das war aber nicht der Fall - beide Dioden waren in Ordnung. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen verhielten sich die Leistungsstufen beider Stereokanäle also signifikant unterschiedlich und die fehlende Diode wurde deshalb offenbar bewusst weggelassen.
Da andererseits aber beide Leistungsstufen in diesem Zustand funktionierten, wurden keine weiteren Untersuchungen durchgeführt und alles so gelassen, wie es war.

Auch wenn die Schaltung einen recht robusten Eindruck macht kann man sagen, dass etliche Bauteile an der Grenze ihrer Spezifikation betrieben werden.
Für den MJ15003 wird im Datenblatt z. B. eine Kollektor-Emitter-Spannung von 140V angegeben, die Versorgungsspannung beträgt im Leerlauf aber schon +/-85V bzw. 170V. Diese Spannung wird bei Belastung zwar kleiner, dennoch ist anzunehmen, dass sie oberhalb 140V bleibt.
Ähnliches gilt für das Relais K2 - es ist ein 12V-Relais, welches gemäß der ursprünglichen Spannungsangabe für Testpunkt TP6 dauerhaft mit ca. 17V betrieben wird und sich dadurch unnötig erwärmt.
Weitere Bauteile wurden dahingehend nicht untersucht.


Aufbau des Verstärkers

Ein Blick in das Innere des Verstärkers offenbart die einfache Technik der 1980er Jahre.


Blick in das Innere des Verstärkers
Blick in das Innere des Verstärkers Xtension X 1000
In der Mitte befindet sich der beachtliche Netztransformator und daran angeschraubt ist die Leiterplatte zur Stromversorgung. Diese liefert eine symmetrische Spannung gegen Masse, welche mit jeweils 3 parallel geschalteten Becher-Kondensatoren 4700µF / 100V geglättet wird.

Durch die symmetrische Spannungsversorgung kann ein Ausgangskondensator entfallen, allerdings ist dann ein wirksamer Schutz gegen eine zu hohe Gleichspannung am Ausgang erforderlich, die den angeschlossenen Lautsprecher zerstören könnte. Die Schutzschaltung selbst befindet sich auf den Leiterplatten der Endverstärker, die zugehörigen Status-LEDs hingegen auf der Leiterplatte, welche an der Frontplatte befestigt ist.

Links und rechts des Transformators sind die Leiterplatten der Endverstärker untergebracht.
Die Transistoren der Quasi-Komplementärendstufe sowie die Treiber-Transistoren befinden sich auf Metallwinkeln, die ihrerseits mit jeweils einem mächtigen Kühlkörper verschraubt sind; diese Kühlkörper sind gleichermaßen Bestandteil des Gehäuses.
Ebenfalls erkennbar ist das Ausgangsrelais neben der Spule, welches den Lautsprecher vom Verstärker trennt, sobald ein Fehler von der Schutzschaltung erkannt wird.
Oberhalb der Verstärker-Leiterplatte für Kanal 2 (rechts) ist die mit der Rückwand verschraubte Eingangsleiterplatte zu sehen.


Fehleranalyse

Nach Abnehmen des oberen Gehäusebleches fällt der Blick auf die Kondensator-Batterie der Netzteil-Leiterplatte und man sah sofort einen aufgeplatzten Ladekondensator 4700µF / 100V.
Über die Ursache des Defektes kann man nur spekulieren.
Geht man davon aus, dass der Verstärker ca. 25 Jahre alt ist und möglicherweise jahrelang nicht eingeschaltet wurde, dann könnte der Kondensator so weit vorgeschädigt gewesen sein, dass er sich ohne vorherige Regeneration relativ schnell selbst komplett zerstört hat.

Ein solches Schicksal hätte den anderen Kondensatoren beim nächsten Einschalten dann auch drohen können.
Geplatzter Kondensator
Der aufgeplatzte Ladekondensator

In diesem Zustand störte der Kondensator jedenfalls nicht mehr. Er hatte sich so weit freigebrannt, dass er schlichtweg nicht mehr vorhanden war und lediglich die Gesamt-Kapazität von knapp 15000µF auf knapp 10000µF reduziert wurde. Der grundsätzlichen Funktion tut das erstmal keinen nennenswerten Abbruch.




Gleichrichter
Der Gleichrichter 250V / 25A von Fagor
Da zwischen der positiven Versorgung und Masse ein Kurzschluss messbar war, musste ein weiterer Fehler vorliegen und hierbei hat sich als Ursache ein Defekt des Gleichrichters herausgestellt.

Ob es ein Folgefehler des Kondensators ist, lässt sich nicht sagen, idealerweise sollte aber die Netzeingangssicherung einen Defekt des Gleichrichters verhindern.
Für diese Sicherung ist ein Wert von 8A mittelträge angegeben, montiert war aber eine 10A-Sicherung. Möglicherweise war der Gleichrichter kaputt, bevor die zu starke Netzeingangssicherung auslösen konnte.

Der Gleichrichter ist am Netztransformator befestigt und nach Abnehmen der Bodenplatte leicht erreichbar.




Nach dem Ausbau des Gleichrichters wollte ich die Ausgangsspannung des Transformators messen, dieser ließ sich jedoch nicht einschalten.
Da an den Kontakten des Netzschalters kein Durchgang der Primärwicklung zu messen war und außerdem die Netzeingangssicherung nicht ausgelöst hatte, wurde zunächst befürchtet, dass die Primärwicklung durchgebrannt sein könnte - das hat sich zum Glück aber nicht bestätigt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Schaltplan und musste die Leitungen visuell verfolgen. Hierbei zeigte sich, dass der Trafo nicht unmittelbar vom Netzschalter eingeschaltet wird, sondern über einen Vorwiderstand der Größe 15Ω / 17 Watt, der nach sehr kurzer Zeitverzögerung (Millisekunden) von einem Relais überbrückt wird. Mit dieser einfachen und durchaus gängigen Methode wird verhindert, dass ein allzu hoher Einschaltstromstoß die Installationssicherung auslöst - und genau das funktionierte nicht mehr.

Die Messung des Vorwiderstandes ergab, dass sein Widerstandsdraht unterbrochen war. Mit einem Zahnarzt-Spiegel wurde die unzugängliche Seite des Widerstandes untersucht und ein Bruch in unmittelbarer Nähe seines Anschlusspins festgestellt.


Vorwiderstand
Der Vorwiderstand 15Ω / 17W auf der Netzteil-Leiterplatte
 
Durchgebrannter Widerstandsdraht
Der durchgebrannte Widerstandsdraht im Zahnarzt-Spiegel

Insgesamt wurden 3 defekte Bauteile gefunden, welche zunächst zu reparieren oder durch passende Neuteile zu ersetzen waren.


Reparatur


1. Kondensator

Wie bereits erwähnt dürfte das Gerät ca. 25 Jahre alt gewesen sein und nach einer so langen Zeit wäre es kein Fehler, ALLE Elektrolyt-Kondensatoren zu ersetzen.
Das Problem ist, dass es sich bei den Ladekondensatoren um Becher-Kondensatoren mit einem Durchmesser von 35mm und 4 Anschlusspins handelt, welche offenbar nur sehr schwer zu bekommen sind.

Die Leiterplatte hat pro Kondensator zwar weitere Bohrungen für unterschiedliche Lochbilder, passende Kondensatoren hatten im Sommer 2021 bei allen gängigen Distributoren jedoch eine wochenlange Lieferzeit.
Deshalb wurde beschlossen, den defekten Kondensator zu entfernen, die verbleibenden Kondensatoren zu regenerieren und die Gesamt-Kapazität im positiven Versorgungszweig auf "nur" 10000µF anstatt 15000µF zu belassen.

Die Regeneration verlief insofern erfolgreich, dass die Kondensatoren danach an maximaler Spannung nicht warm wurden und auch ihre Ladung hielten. Angesichts dessen erschien ein zeitnaher Austausch aller Kondensatoren nicht zwingend erforderlich.


2. Gleichrichter

Der Austausch des Gleichrichters war kein Problem - hier wurde als Ersatz ein Typ mit den Werten 400V und 50A gewählt.


3. Vorwiderstand

Ein ähnlicher Vorwiderstand wäre sicher erhältlich gewesen, allerdings war auch hier kein Austausch erforderlich.

Wie im Zahnarzt-Spiegel zu sehen ist, befand sich die Unterbrechung am Ende des Widerstandes in unmittelbarer Nähe des eingelöteten Anschlusspins.

Durch Abwickeln des Widerstandsdrahtes um ca. 1/2 Umdrehung und anschließendes Anlöten an den in der Leiterplatte verbliebenen Pin konnte der Vorwiderstand ganz einfach repariert werden. Lötstelle und Draht wurden abschließend noch mit einem Tropfen Kleber gesichert.
Reparierter Vorwiderstand
Der reparierte Vorwiderstand

Inbetriebnahme und Beseitigung weiterer Fehler


Das erste Einschalten erfolgte ohne Ladekondensatoren.
Hierbei wurden in erster Linie die korrekte Funktion der Einschaltverzögerung sowie die Funktion des Netztransformators geprüft, dessen Leistungswicklung eine Leerlaufspannung von ca. 124V bzw. jeweils ca. 62V gegen die mit Masse verbundene Mittelanzapfung liefert.


Anschließend wurden bei abgeklemmten Verstärker-Leiterplatten die Ladekondensatoren angeschlossen und eine Leerlauf-Gleichspannung von ca. 170V bzw. +/- 85V gegen Masse gemessen, welche - wie bereits erwähnt - die Spannungsfestigkeit des MJ15003 laut Datenblatt deutlich übersteigt.


Im nächsten Schritt wurden die Verstärker-Leiterplatten an Versorgungsspannung angeschlossen und die Werte an den im Schaltplan angegebenen Testpunkten gemessen. Mit Ausnahme von Testpunkt TP6 lagen alle Werte innerhalb akzeptabler Abweichungen.

An TP6 wurde entgegen der ursprünglichen Angabe von 17V auf beiden Verstärker-Leiterplatten eine Gleichspannung von nur 14V gemessen, obwohl die Wechselspannung an der Anode von CR115 etwa 15V betrug und eine deutlich höhere Gleichspannung erwarten ließ. Offenbar ist der Kondensator C123 so klein bemessen, dass an TP6 noch eine Restwelligkeit von ca. 10VSS überlagert ist, welche die mittlere Gleichspannung auf ca. 14V reduziert.

Mit einem größeren Wert für C123 wäre sicher 17V Gleichspannung erreichbar, sie wurde aber auf 14V belassen, weil das Relais K2 ein 12V-Relais ist und mit 14V schon reichlich Spannung bekommt. Für Testpunkt TP6 wurde im neu erstellten Schaltplan deshalb ein Wert von 14V angesetzt.


Während der ersten Einschalt-Vorgänge wurde festgestellt, dass die Schutzschaltung von Kanal 2 das Ausgangsrelais K2 korrekt nach der zu erwartenden Verzögerung von einer knappen Sekunde freigegeben hat, bei Kanal 1 dagegen meist erst nach einer deutlich längeren Verzögerungzeit. In einzelnen Fällen hat das Ausgangsrelais von Kanal 1 überhaupt nicht angezogen - vorwiegend beim ersten morgendlichen Einschalten im kühlen Hobbyraum.
Nach mehrfachem Ein- und Ausschalten des Gerätes war der Effekt verschwunden und die Verzögerungszeiten waren schließlich gleich kurz.
Auch nach vorheriger kurzer Erwärmung der Leiterplatte mit einem Föhn funktionierte die Einschaltverzögerung bereits beim ersten morgendlichen Einschalten einwandfrei.
Die Ursache für dieses Phänomen war offenbar ein Temperatur-Effekt, allerdings hatte ich gerade kein Kältespray zur Hand, um das betreffende Bauteil sicher identifizieren zu können.

Nach langem Suchen und Messen bis hin zum Austausch von Bauteilen fiel der Verdacht zunächst auf den Tantal-Kondensator C124. Der Austausch dieses Kondensators durch einen hochwertigen Folien-Kondensator war anfangs zwar vielversprechend, aber leider nicht dauerhaft von Erfolg gekrönt. Die temporäre Verbesserung war wohl der Wärmeausbreitung während des Lötens über die Leiterbahnen zu anderen Bauteilen geschuldet.

Um das defekte Bauteil auch ohne Kältespray finden zu können, wurden alle infrage kommenden Dioden und Transistoren gezielt mit einer heißen Lötkolbenspitze kurz erwärmt und hierbei zeigte sich der Transistor Q117 auffällig. Diesen Transistor hatte ich zwar im eingebauten Zustand bereits rudimentär geprüft und als in Ordnung befunden, das war aber anscheinend nicht der Fall.
Erst nach Auslöten von Q117 war zwischen Kollektor und Emitter ein temperaturabhängiger Widerstand zwischen 1 und 2MΩ messbar - ein viel zu geringer Wert, der als Teilerwiderstand mit R159 die Threshold-Spannung an Pin 6 von U100 bei niedriger Temperatur auf unter 9V gehalten hat.
Nach Ersatz des ursprünglichen BC547C durch einen BC550C funktionierte auch die Einschaltverzögerung von Kanal 1 einwandfrei.


Bei den nachfolgenden Tests mit einem Eingangssignal (1kHz Sinus) sprach die Schutzschaltung von Kanal 1 ab einer bestimmten Aussteuerung reproduzierbar an und schaltete das Relais K2 ab.
Die Betrachtung des Ausgangs mit dem Oszilloskop zeigte, dass das Gerät nicht nur als Verstärker arbeitete, sondern gleichermaßen auch als Mittelwellen- und Kurzwellensender.
Am Ausgang von Kanal 1 war eine Schwingung mit einer Frequenz von ca. 6,6 MHz sichtbar und darauf hatte die Schutzschaltung reagiert.
Am Ausgang von Kanal 2 war eine Schwingung mit einer Frequenz von ca. 500 kHz sichtbar, aber davon hatte sich die Schutzschaltung nicht beeinflussen lassen.
Hinzu kam, dass die Amplituden der Schwingungen von der Position der Lautstärkeeinsteller abhängig waren und auch davon, ob ein Lastwiderstand (Lautsprecher) angeschlossen war, oder nicht. Und letztendlich haben sich beide Schwingungen auch noch gegenseitig beeinflusst - das Maximum unerwünschter Nebeneffekte.

Eine Schwingneigung ist bei Leistungsverstärkern nicht ungewöhnlich. Die Ursachen dafür sind in der Regel Unzulänglichkeiten der Schaltung und/oder beim Layout von Leiterplatten sowie deren Anordnung und auch die Leitungsführung innerhalb eines Gerätes.
Oftmals fallen solche Schwingungen überhaupt nicht auf, weil diese hohen Frequenzen nicht hörbar sind. Aber sie breiten sich über die Lautsprecherleitungen aus und können andere Geräte stören. Manchmal werden dadurch auch Transistoren warm, ohne dass sie eine Ausgangsleistung liefern. Deshalb versucht man, die Schwingneigung mittels Spulen und/oder Kondensatoren zu unterdrücken (Entstörung).

Da im vorliegenden Fall weder das Layout der Leiterplatten noch der grundsätzliche Aufbau des Gerätes änderbar waren, konnte nur ein weiterer sog. "kapazitiver Segen" erteilt werden. Dieser besteht aus jeweils einem Kondensator geeigneter Größe, welcher an geeigneter Stelle auf die Leiterplatten gelötet wurde.
Zur Unterdrückung der 500kHz-Schwingung im Kanal 2 reichte ein Keramikkondensator von 100pF, der parallel zum Gegenkopplungswiderstand R105 geschaltet wurde.
Die 6,6MHz-Schwingung im Kanal 1 war dagegen deutlich hartnäckiger und ein Kondensator parallel zu R105 bewirkte hier genau das Gegenteil. Zur Reduzierung der Schwingung wurde ein Keramikkondensator zwischen Gate und Drain des Transistors Q111 gelötet, wobei ein Kompromiss zwischen einer ausreichenden Bedämpfung und einer möglichst geringen Reduzierung der Bandbreite zu finden war. Als geeigneter Wert hat sich hierbei eine Kapazität von 1nF erwiesen. Die Schwingung ist dadurch nicht gänzlich verschwunden, ist mit ca. 50mVSS am Lautsprecher-Ausgang aber so gering, dass die Schutzschaltung nicht mehr anspricht.


Für den abschließenden Leistungstest wurden zwei "Batterien" aus Lastwiderständen zusammengelötet, welche jeweils einen Gesamtwiderstand von 4Ω hatten und kurzzeitig eine Leistung von 500W umsetzen konnten.
Dieser Test hat gezeigt, dass die angegebene Leistung von 2 x 500W an einem Widerstand von 4Ω zumindest kurzzeitig mühelos erreicht wird.
Wird jeder Stereo-Kanal einzeln betrieben, dann beträgt die Spitze-Spitze-Ausgangsspannung nahezu 140VSS (49Veff), was an 4Ω einer Leistung von 600W entspricht.


Auch nach erfolgreicher Reparatur des Verstärkers bleiben viele Fragen offen.
Weitere Informationen und Hinweise zu diesem Gerät werden deshalb dankend entgegengenommen.



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(Letzte Aktualisierung: Januar 2024)
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