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Reparatur eines Röhren-Autoradios OLDSMOBILE DELCO 983204

 


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Der eine oder andere Leser fragt sich vielleicht, wie man in die Verlegenheit kommt, ein Röhren-Autoradio aus den 1950er Jahren zu reparieren - sowas macht man ja nicht alle Tage.
Das ist einfach zu beantworten: Unser Sprössling - seit Kleinkind-Alter ein hoffnungsloser Auto-Narr - hat immer davon geträumt, irgendwann einen amerikanischen Oldtimer mit großvolumigem V8-Motor zu besitzen.
Zum Jahreswechsel 2013/2014 war es dann soweit: Aus den USA wurde ein recht gut erhaltener 1955er OLDSMOBILE Typ 88S importiert.

Der relativ gute Zustand konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein unrestauriertes ca. 60 Jahre altes Fahrzeug handelt.
So war der Wagen nicht nur auf die Bestimmungen für den europäischen Straßenverkehr umzurüsten, sondern es mussten darüberhinaus noch zahlreiche andere Teile repariert oder ersetzt werden.

Nach wochenlanger Arbeit präsentierte sich der "OLDS" im Sommer 2014 schließlich in einem ordentlichen verkehrstüchtigen Zustand (ich weiß, die Radkappen sind nicht original).
Der OLDSMOBILE 88S im Sommer 2014
Der OLDSMOBILE 88S im Sommer 2014

Amerikanische Fahrzeuge waren immer schon recht komfortabel ausgestattet. So erfreuten sich z. B. Autoradios schon lange vor der Erfindung des Transistors einer großen Beliebtheit - und natürlich ist auch im "OLDS" ein solches Gerät zu finden.
Leider funktionierte das Autoradio nicht mehr und sollte im Zuge der Instandsetzung des Fahrzeugs ebenfalls repariert werden.

In diesem Zusammenhang noch ein Hinweis:
Es ging mir in erster Linie um die Wiederherstellung der Funktion und weniger um die Erhaltung eines möglichst originalen Zustandes im Inneren des Gerätes - den sieht man bei geschlossenem Gehäuse sowieso nicht. Dazu waren viele Bauteile auszutauschen, die nicht mehr alle in der ursprünglichen Form erhältlich sein dürften - und selbst wenn, dann würde ich aus technischer Sicht heutzutage z. B. keine Papier-Wachs-Kondensatoren einbauen. Ebensowenig kam es aus Zeitgründen in Frage, moderne Bauteile in historische Gehäuse hineinzufummeln.
Die defekten Bauteile liegen allerdings vor, sodass ein Rückbau jederzeit möglich wär...



Ein paar technische Einzelheiten

Der Transistor wurde 1947 erfunden und konnte etwa ab Mitte der 1950er Jahre industriell eingesetzt werden. Bis dahin war die sog. Elektronenröhre das einzige steuerbare elektronische Bauteil. Auch Autoradios mussten bis zu dieser Zeit mit Röhren bestückt werden - mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.

Das Verhalten einer Röhre in der Bauform einer Triode - also einer Röhre, die neben Anode und Katode nur ein einziges Steuergitter besitzt - ist am ehesten vergleichbar mit dem Verhalten eines Feldeffekt-Transistors (FET) - mit dem großen Unterschied, dass der Strom im FET durch einen Halbleiterkristall fließt und in der Röhre die Elektronen durch ein Vakuum fliegen.

Zur Erzeugung des Elektronenstroms benötigen Röhren in aller Regel eine Heizung. Dies ist ein vom Strom durchflossener Heizfaden, der beim Betrieb der Röhre deutlich sichtbar glüht. Der Heizstrom beträgt bei 12V-Miniaturröhren üblicherweise ca. 150mA, sodass z. B. bei einem mit 6 Röhren bestückten Radio allein ein Heizstrom von nahezu einem Ampere bzw. eine Heizleistung von nahezu 12W erforderlich ist.
Vereinzelt gibt es auch Dioden ohne Heizung (Kalt-Katoden-Röhre) wie z. B. die 0Z4 (Null Z 4), wobei die Null für Null Volt Heizspannung steht.

Des Weiteren braucht eine Röhre zur Funktion eine Anodenspannung von mehreren hundert Volt Gleichspannung, die im Auto aus der 12V-Bordspannung erzeugt werden muss.
Prinzipiell erfolgt das durch "Zerhacken" der Gleichspannung in eine Wechselspannung, Transformation dieser Wechselspannung auf einen höheren Wert und anschließende Gleichrichtung und Siebung.
Heutzutage gibt es elektronische Gleichspannungswandler in nahezu jeder beliebigen Ausführung, vor der Erfindung des Transistors war das aber nicht der Fall. Die Bordspannung musste deshalb mit einem mechanischen "Zerhacker" (auch als Vibrator bezeichnet) in eine Wechselspannung umgesetzt werden. Ein Vibrator ist ein selbstschwingender Schalter - grob vergleichbar mit einer Klingel - und seine Kontakte unterliegen deshalb naturgemäß einem hohen Verschleiß; entsprechend beträgt die Lebensdauer eines Vibrators nur wenige hundert Stunden.

Als wäre das alles noch nicht kompliziert genug kommt bei Röhrenschaltungen hinzu, dass einfache Trioden in der Praxis relativ selten verwendet werden.
Die meisten Röhren haben mehrere Gitter, welche teilweise intern geschickt verbunden sind und teilweise extern ebenso geschickt angesteuert werden können. Man verwendet bis zu 7 Gitter, woraus mit Anode und Katode (ohne Heizung) insgesamt 9 Anschlüsse resultieren; eine solche Röhre nennt man deshalb Enneode oder auch Nonode. Ebenso werden Oktoden (6 Gitter), Heptoden (5 Gitter), Hexoden (4 Gitter), Pentoden (3 Gitter) und Tetroden (2 Gitter) eingesetzt.
Zur Gleichrichtung dienen Dioden, also Röhren mit Anode und Katode, aber ohne irgendwelche Gitter zur Steuerung.
Daneben gibt es zahlreiche Sonder-Bauformen wie z. B. eine Triode und zwei Dioden mit gemeinsamer Katode im gleichen Gehäuse.
Äquivalente Halbleiter gibt es nicht; selbst geübte Halbleiter-Elektroniker können eine komplizierte Röhren-Schaltung deshalb nicht immer auf den ersten Blick durchschauen.

Abschließend noch ein Hinweis zur Sicherheit:
Röhren-Radios - egal, ob Auto-Radio oder nicht - benötigen eine Anodenspannung von mehreren hundert Volt, die als berührungsgefährlich im Sinne der VDE-Bestimmungen gilt. Eine Berührung dieser Spannung kann körperliche Schäden verursachen - im Extremfall bis hin zum Tod. Besonders gefährlich sind geladene Elektrolyt-Kondensatoren, da sie meist eine relativ hohe Kapazität haben und kurzzeitig einen sehr hohen Strom liefern können.
Der Umgang mit Röhren-Radios erfordert deshalb einschlägige Kenntnisse, solche Gefahren zu erkennen und abzuwenden.




Erste Untersuchungen

Das Radio besteht aus 2 Baugruppen: Der Anodenspannungserzeugungs- und Lautsprechereinheit sowie dem Radio selbst.


Das komplette Autoradio
Das komplette Autoradio
(hier ohne Blende und Drehknöpfe)
Beide Baugruppen sind über 3 Leitungen verbunden, die jeweils gut abgeschirmt sind. Eine gute Abschirmung ist sicher erforderlich, da der Vibrator in der Anodenspannungserzeugung starke Funkstörungen erzeugen dürfte, die sich bei mangelhafter Abschirmung gnadenlos im Radio bemerkbar machen würden.

Die Baugruppen haben beachtliche Abmessungen; der Lautsprecher hat einen Durchmesser von 8 Zoll (20cm) und das Radio selbst ist etwa 35cm lang. Die Masse beider Baugruppen zusammen beträgt 5kg

Anhand des Typenschildes konnte das Gerät leicht identifiziert werden. Demnach handelt es sich um das 12V-Modell 983204 der Firma DELCO, welches speziell für den Einbau in damalige OLDSMOBILE-Fahrzeuge konzipiert war. Alternativ wird deshalb auch die Bezeichnung OLDSMOBILE MODEL 983204 verwendet.
Das Gerät ist ausschließlich für den Mittelwellen-Empfang geeignet, wobei mit den vorhandenen Tasten insgesamt 5 mechanisch vorprogrammierte Sender abgerufen werden können.

Im Inneren des Radios fand sich zudem ein Röhren-Bestückungsplan.
Typenschild
Typenschild und Röhren-Bestückungsplan

Zunächst wurden die im Radio angesammelten Insekten entfernt und eine grobe Reinigung mit dem Staubpinsel durchgeführt.
Anschließend wurden die beiden Baugruppen zusammengesteckt und an ein leistungsstarkes 12V-Netzteil angeschlossen - und nichts tat sich - jedenfalls fast nichts :-(

Wie befürchtet blieb der Vibrator stumm; es wurde bereits erwähnt, dass die Lebensdauer dieser Teile nicht sehr hoch ist.
Als Abhilfemaßnahmen kamen entweder die Reparatur des Vibrators oder der Austausch des Vibrators - oder der Einbau eines elektronischen "Zerhackers" in Betracht.

Immerhin leuchteten die Heizfäden aller 6 Röhren und als Heizstrom wurde ein Wert von ca. 950mA gemessen. Es bestand also die berechtigte Hoffnung, dass zumindest die Röhren noch in Ordnung sein könnten.
Ohne eine funktionstüchtige Anodenspannungserzeugung ging es aber erstmal nicht weiter.




Reparatur der Anodenspannungserzeugung

1. Austausch des Vibrators

Um nicht zu viele Einflussgrößen zu haben, wurde die Reparatur der Anodenspannungserzeugungs- und Lautsprechereinheit separat durchgeführt, also ohne angeschlossenes Radio.


Anodenspannungserzeugungs- und 
Lautsprechereinheit
Anodenspannungserzeugungs- und Lautsprechereinheit
Nebenstehendes Bild zeigt die Anodenspannungserzeugungs- und Lautsprechereinheit. Von links nach rechts sind zu erkennen:

- Vibrator
- Transformator mit einer Leistung von 20 bis 30VA
- Gleichrichterröhre 0Z4.

Rechts oben neben der 0Z4 liegt der Verbindungsstecker zum Radio, und im Hintergrund ist der Käfig des 8-Zoll-Lautsprechers erkennbar.
Auf der anderen Seite der Montageplatte befinden sich noch einige Papier-Wachs-Kondensatoren, auf die später noch eingegangen wird.

Probeweise wurde auf die Schnelle ein einfacher elektronischer "Zerhacker" auf der Basis eines astabilen Multivibrators zusammengelötet. Die Dimensionierung erfolgte "Pi mal Daumen" unter Verwendung zweier Leistungstransistoren 2N3055 und einiger weniger Widerstände.
Das Ergebnis war verblüffend; die Schaltung funktionierte auf Anhieb und ohne Belastung wurde eine Anodenspannung von ca. 300V gemessen. Damit fiel die Entscheidung endgültig zu Gunsten eines elektronischen "Zerhackers", wobei sowohl die Schaltung als auch der mechanische Aufbau vorher aber noch in eine praxistaugliche Form zu bringen waren.

Der einfache "Zerhacker" funktionierte zwar, er ist aber nicht immer zuverlässig angeschwungen.

Außerdem waren die Schaltflanken der Transistoren von Spannungsspitzen (Spikes) bis zu 70V überlagert, welche den Transistoren auf Dauer hätten schaden können.
Kollektorspannung der Transistoren 2N3055
Kollektorspannung der Transistoren 2N3055
Y-Skalierung: 10V/div

Endgültige Zerhacker-Schaltung
Endgütige "Zerhacker"-Schaltung
Die endgütige Zerhacker-Schaltung hat neben dem astabilen Multivibrator deshalb zusätzlich 2 Dioden zur Auskopplung der Spikes.
Deren Energie wird im Kondensator gespeichert und am 2,2k-Widerstand in Wärme umgesetzt.

Mit dieser Maßnahme werden nicht nur die Spikes auf ca. 40V begrenzt, sondern sie hat offensichtlich auch einen günstigen Einfluss auf das Anschwing-Verhalten des "Zerhackers".

Hinsichtlich des mechanischen Aufbaus war zu beachten, dass der elektronische "Zerhacker" eine gewisse Verlustleistung in Wärme umsetzt und für eine entsprechende Kühlung zu sorgen ist.
Des Weiteren sollte der elektronische "Zerhacker" einfach montierbar und zudem nicht größer sein, als der ursprünglich vorhandene Vibrator.
Entstanden ist folgendes Bauteil, welches alle diese Anforderungen erfüllt:


Elektronischer Zerhacker
Der elektronische "Zerhacker" von der einen ...
 
Elektronischer Zerhacker
... und von der anderen Seite


Die Transistoren wurden (isoliert) auf eine Alu-Platte montiert, welche gleichzeitig als Kühlfläche dient.

Die Leistungen der Widerstände bieten auch für höhere Umgebungstemperaturen ausreichend Reserve.

Die Längen der Anschlussstifte und deren Lochbild wurden entsprechend des Original-Vibrators ausgelegt, sodass ein 1:1-Austausch möglich war. Die Anodenspannungserzeugungs- und Lautsprechereinheit konnte dadurch im Original-Zustand belassen werden.
Anodenspannungserzeugungs- und 
Lautsprechereinheit
Anodenspannungserzeugungs- und Lautsprechereinheit
mit elektronischem "Zerhacker"



2. Austausch der Papier-Wachs-Kondensatoren

Während des Experimentierens mit dem elektronischem "Zerhacker" zeigte sich, dass einer der Papier-Wachs-Kondensatoren fühlbar warm wurde - bei einem Kondensator ist eine eigenständige Erwärmung nie ein gutes Zeichen.

Papier-Wachs-Kondensatoren unterliegen einem Alterungsprozess, welcher in erster Linie der Aufnahme von Feuchtigkeit zuzuschreiben ist. Hierdurch wird das Dielektrikum - also die isolierende Schicht zwischen den Kondensatorplatten - mehr oder weniger leitend, was die Eigenschaften des Kondensators verändert; sowohl die Kapazität als auch der Verlustfaktor werden größer.
Alle 3 Kondensatoren wurden deshalb mit einer LCR-Messbrücke geprüft und eine Kapazitätserhöhung von bis zu einem Faktor 5 gegenüber des aufgedruckten Wertes festgestellt; auch die Verlustfaktoren waren bis zu 10 mal höher, als bei einem intakten Kondensator. Beide Resultate sind ein sicheres Zeichen dafür, dass diese Kondensatoren nicht mehr verwendet werden sollten.


Anodenspannungserzeugungs- und 
Lautsprechereinheit mit neuen Kondensatoren
Anodenspannungserzeugungs- und Lautsprechereinheit
mit neuen Kondensatoren
Es hilft nichts - wenn man langfristig Ruhe haben will, dann müssen alle Papier-Wachs-Kondensatoren konsequent ersetzt werden.

Im vorliegenden Fall wurden 2 Folien-Kondensatoren und eine Parallelschaltung zweier Keramik-Kondensatoren eingesetzt.
Die Parallelschaltung der Keramik-Kondensatoren wurde gewählt, da kein einzelner Folien-Kondensator passender Kapazität mit ausreichender Spannungsfestigkeit zur Verfügung stand.


Zuletzt wurde noch der Lautsprecher überprüft und für funktionstüchtig befunden.
Damit war die Reparatur der Anodenspannungserzeugungs- und Lautsprechereinheit abgeschlossen.




Reparatur des Radios

1. Austausch der Papier-Wachs-Kondensatoren

Durch die Erfahrungen mit der Anodenspannungserzeugung wurden auch im Radio zunächst alle Papier-Wachs-Kondensatoren durch Folien-Kondensatoren ersetzt.

Die alten Kondensatoren wurden der Vollständigkeit halber ebenfalls mit der LCR-Messbrücke geprüft und auch hierbei wurden zum Teil deutlich erhöhte Kapazitätswerte und Verlustfaktoren festgestellt.
Papier-Wachs-Kondensatoren
Papier-Wachs-Kondensatoren


Neben den Papier-Wachs-Kondensatoren enthält das Radio einige Keramik-Kondensatoren. Da Keramik-Kondensatoren mit niedriger Kapazität aber normalerweise nicht sehr altern, wurden sie in der Schaltung belassen.



2. Regeneration der Elektrolyt-Kondensatoren

Außer Papier-Wachs-Kondensatoren und Keramik-Kondensatoren gibt es noch einen 3-fach-Elektrolyt-Kondensator (ElKo) im Metallbecher.

3-fach-Elektrolyt-Kondensator
3-fach-Elektrolyt-Kondensator
im zylinderförmigen Metallbecher
Auch Elektrolyt-Kondensatoren unterliegen einem Alterungsprozess, hauptsächlich durch chemische Zersetzung des Dielektrikums (Isolation zwischen den Kondensatorplatten) und durch Austrocknen des Elektrolytes.

Konsequenterweise hätte man den 3-fach-ElKo ebenfalls ersetzen müssen, notfalls durch 3 einzelne Kondensatoren. Allerdings ist der Metallbecher ein mechanischer Stützpunkt für etliche andere Bauteile, auf den man ungern verzichtet. Deshalb wurde zunächst versucht, den 3-fach-ElKo zu regenerieren.
Sollte sich das auf Dauer als nicht ausreichend erweisen, dann kann der Elko immer noch ersetzt werden.


Regeneration bedeutet, das chemisch angegriffene Dielektrikum wieder zu "reparieren" - oftmals ist eine solche Prozedur erfolgreich.
Hierzu wird der Kondensator mit einem sehr geringen Strom beaufschlagt und beobachtet, wie er sich verhält. Wenn der Strom schon nach kurzer Zeit sinkt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass das Dielektrikum hochohmiger wird - es baut sich also auf. Der Strom kann dann wieder entsprechend erhöht werden, wobei bei jeder Erhöhung auch die Spannung am Kondensator ansteigt. Diese Prozedur muss evtl. über Stunden oder sogar Tage durchgeführt werden - so lange, bis die Nennspannung des Kondensators erreicht ist.
Bei Verwendung einer einstellbaren Stromquelle ist es etwas einfacher, auf jeden Fall muss aber eine Quelle verfügbar sein, welche mindestens die Nennspannung des Kondensators liefern kann - und das sind mehrere hundert Volt. Auch hierbei muss man also die erforderliche Sorgfalt walten lassen, um keinen elektrischen Schlag zu bekommen.

Ein Kondensator gilt als regeneriert, wenn sein Reststrom (oder auch "Leckstrom") einen bestimmten Wert nicht überschreitet. Einen Anhaltspunkt dafür findet man z. B. unter http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrolytkondensator.

Im vorliegenden Fall wurde der 3-fach-Elektrolyt-Kondensator (zumindest temporär) erfolgreich regeneriert und deshalb in der Schaltung belassen.



3. Messung der Arbeitspunkte und Identifizierung einer defekten Röhre

Leider wurde auch nach Austausch bzw. Regeneration der Kondensatoren kein Sender empfangen, es musste also ein weiterer Defekt vorliegen. Jetzt ging es "ins Eingemachte" und hierzu war zumindest ein Schaltplan erforderlich.

Die technischen Unterlagen wurden bei www.StevenJohnson.com erworben. Neben dem Schaltplan beinhalten sie einen Bestückungsplan, eine Stückliste, Zeichnungen zum mechanischen Aufbau sowie Hinweise zum Abgleich des Radios.

Die Unterlagen unterliegen angeblich dem Urheberrecht und sollen deshalb an dieser Stelle nicht veröffentlicht werden.
Bzgl. des Schaltplans ist das aber kein großer Verlust: Er ist an mehreren Stellen fehlerhaft und zudem auch ungünstig gezeichnet. Anstatt der Schaltsysmbole werden z. B. die Sockelbilder der Röhren verwendet. Das mag zeichnerische Vorteile haben, aus der Sicht eines Elektronik-Entwicklers ist das aber unzweckmäßig, da selbst für das grobe Verständnis der Schaltung jetzt auch noch die Datenblätter aller Röhren benötigt werden.

Den Schaltplan habe ich deshalb nach Verifizierung jedes einzelnen Bauteils und Verfolgung jeder einzelnen Verbindung korrigiert und unter Verwendung europäischer Symbole neu erstellt.

Leider sind nicht alle Bauteil-Daten bekannt, aber im Original-Schaltplan waren die fehlenden Werte auch nicht angegeben.
Korrigierter und neu erstellter Schaltplan
Korrigierter und neu erstellter Schaltplan

Immerhin enthält der Schaltplan die erforderlichen Spannungsangaben zu den Arbeitspunkten der einzelnen Röhren, und anhand dieser Angaben konnte die Röhre 12BF6 (Triode mit Doppel-Diode) sehr schnell als defekt identifiziert werden.



4. Austausch der Röhre 12BF6 und erneute Messung der Arbeitspunkte


Röhrensatz des OLDSMOBILE MODEL 983204
Röhrensatz des OLDSMOBILE MODEL 983204
Die Röhre 12BF6 konnte kurzfristig beschafft werden bei
www.btb-elektronik.de.

In den USA wäre die Röhre zwar deutlich preisgünstiger gewesen, der Versand nach Deutschland ist aber auch nicht kostenlos.

Nach Austausch der Röhre wurde WDR2 des Senders Langenberg lautstark in bester Mittelwellen-Qualität empfangen - es war zwar der einzige Sender, das Radio war somit aber grundsätzlich wieder funktionstüchtig.


Der Vollständigkeit halber wurde eine erneute Messung der Arbeitspunkte durchgeführt. Hierbei zeigte sich, dass zwar die meisten Werte mit den Angaben im Schaltplan übereinstimmten, einige Werte lagen aber immer noch außerhalb der zulässigen Toleranz von +/- 10%. Die Ursache dafür sollte im nächsten Schritt ermittelt werden.



5. Austausch von Kohlemassewiderständen

In Elektrogeräten der 1950er Jahre wurden üblicherweise sog. Kohlemassewiderstände verwendet. Diese Widerstände einfachster Bauart unterliegen nicht nur einer Alterung, sondern deren Wert ist zudem in gewisser Weise auch noch abhängig von der beaufschlagten Spannung - aber das nur nebenbei.
Durch Alterung ändert sich die ursprüngliche Dimensionierung einer Schaltung, was letztendlich zu abweichenden Arbeitspunkten führt.

Alle Widerstände, die an der Einstellung von Arbeitspunkten beteiligt sind, wurden - soweit erforderlich - von der Schaltung abgetrennt und vermessen. Angesichts der "fliegenden Verdrahtung" in Verbindung mit Lötösen ziemlich lästig, aber bei diesen Messungen wurden Abweichungen bis zu +50% festgestellt.
Alle Widerstände mit mehr als 10% Abweichung vom Nennwert wurden deshalb durch neue Kohleschicht-Widerstände ersetzt.

Nach dieser abschließenden Maßnahme entsprachen alle Arbeitspunkte mit einer Toleranz von +/-10% den im Schaltplan angegebenen Werten.
Folien-Kondensatoren und 
Kohleschicht-Widerstände
Folien-Kondensatoren und Kohleschicht-Widerstände
Die Reparatur des Radios war somit erfolgreich abgeschlossen.



Einbau eines zusätzlichen Audio-Eingangs

Da mit dem Gerät (zumindest in Deutschland) anscheinend nur ein einziger Mittelwellen-Sender wirklich gut zu empfangen ist, wurde sehr bald der Wunsch laut, einen Musik-Stick an das Radio anschließen zu können. Es musste ja keine USB-Schnittstelle sein, aber doch wenigstens ein Anschluss für den Kopfhörer-Ausgang eines mp3-Players.
Selbstverständlich sollte der zusätzliche Audio-Eingang die Radio-Funktion möglichst wenig beeinflussen und der Eingriff in das Gerät möglichst gering sein.


1. Festlegung des Einspeisepunktes und Bestimmung seiner Kenngrößen

Da auch die Lautstärke des externen Audio-Signals am Radio einstellbar sein sollte, kam nur eine Einspeisung am "heißen" Ende des Lautstärke-Einstellers R15A in Frage.


Schaltungsdetail
Schaltungsdetail
Die Messung des Radio-Signals UAC-R an dieser Stelle ergab einen Wert von max. 6VSS (Spitze-Spitze). Um auch das externe Audio-Signal UAC-A mit ausreichender Lautstärke wiederzugeben zu können, sollte es eine Höhe von mindestens 4 bis 5 VSS haben.
Da ein mit 1,5V betriebener Musik-Stick eine Ausgangsspannung von max. ca. 1 VSS liefern kann, war also ein zusätzlicher Verstärker mit einem Verstärkungsfaktor v zwischen 4 und 5 notwendig.

Ein solcher Verstärker kann mit einer einzigen Transistorstufe aufgebaut werden (z. B. mit einem BC550), allerdings war auf eine möglichst rückwirkungsfreie Mischung von Radio-Signal und externem Audio-Signal zu achten.

Deshalb wurde beschlossen, als Kollektorwiderstand der Transistorstufe den gesamten Schaltungsknoten am "heißen" Ende des Lautstärke-Einstellers zu verwenden. Zur Dimensionierung des Verstärkers waren die an diesem Punkt wirksamen Kenngrößen zu analysieren.

Als Gleichspannung UDC wurde (ohne Radio-Signal) ein Wert von ca. 9,5V gemessen: UDC ≈ 9,5V.
Diese Spannung würde durch den Kollektorstrom des Transistors belastet und somit geringer. Das führt zu einer Verschiebung der ursprünglichen Einstellung der Röhrenschaltung, welcher mit einer geeigneten Maßnahme entgegenzuwirken ist - darauf wird später noch eingegangen.


Der Gleichstromwiderstand ergibt sich im Wesentlichen aus der Parallelschaltung der Widerstände R13 und R15A:

RDC ≈ R13 || R15A = 820k || 320k ≈ 230kΩ.


Die Berechnung des Wechselstromwiderstandes RAC ist komplizierter; er wurde deshalb indirekt mit Hilfe einer ΔU/ΔI-Messung bestimmt zu RAC ≈ 150kΩ.


2. Gleichstrom-Dimensionierung des Verstärkers

Mit Kenntnis obiger Größen war es naheliegend, als Kollektor-Gleichstrom einen Wert von 10µA vorzugeben: IC-dc = 10µA.
Dieser Strom senkt die Spannung am "heißen" Ende des Lautstärke-Einstellers UDC um 2,3V von 9,5V auf 7,2V ab und ermöglicht einen Hub von ±2,3V = 4,6VSS.

Als Emitter-Gleichspannung wurde ein Wert von 1V gewählt: UE-dc = 1V.
1V am Emitter erlaubt eine verzerrungsfreie Ansteuerung des Verstärkers mit einer Eingangsspannung von 1VSS bzw. ±0,5V und vereinfacht zudem die Berechnung.

Der Querstrom für den Basis-Spannungsteiler wurde zu Iq = 0,1mA festgelegt.
Ein geringerer Strom wäre zwar möglich gewesen, allerdings sollte der Spannungsteiler nicht zu hochohmig werden - je hochohmiger ein Stromkreis, desto anfälliger ist er für Störungen.

Die Speisung des Basis-Spannungsteilers kann aus der Heizspannung der Röhren erfolgen, welche zu UH = 11,8V gemessen wurde.

Als Basis-Emitter-Spannung wurde ein Wert von UBE = 0,6V angenommen.

Mit diesen Vorgaben können die fehlenden Größen berechnet werden:

Emitterwiderstand RE-dc RE-dc = UE-dc / IE-dc ≈ UE-dc / IC-dc = 1V / 10µA = 100kΩ → RE-dc = 100kΩ
Basiswiderstand RB2 RB2 ≈ (UE-dc + UBE) / Iq = 1,6V / 0,1mA = 16kΩ → RB2 = 15kΩ
Basiswiderstand RB1 RB1 = (UH / Iq) - RB2 = (11,8V / 0,1mA) - 15kΩ = 103kΩ → RB1 = 100kΩ

RB1 wurde nochmal unterteilt in 18kΩ + 82kΩ und dazwischen ein Kondensator eingefügt. Durch diese Maßnahme wird das Brummen des Verstärkers deutlich reduziert.

Wie bereits erwähnt, wird durch den Kollektorstrom die ursprünglich vorhandene Spannung am "heißen" Ende des Lautstärke-Einstellers von ca. 9,5V auf ca. 7,2V abgesenkt. Um den Arbeitspunkt der Röhrenschaltung zu erhalten, sollte die Spannung wieder entsprechend angehoben werden.
Dies erfolgt durch Erhöhung des Widerstandes R12 auf etwa 2,7 bis 2,8kΩ - im vorliegenden Fall durch eine Reihenschaltung von R12 mit einem 560Ω-Widerstand. Dadurch erhöht sich zwar auch die Spannung an der Katode der Röhre V4, sie bleibt aber noch innerhalb der Toleranz von 11,5V +10%.


3. Wechselstrom-Dimensionierung des Verstärkers

Hierbei geht es im Wesentlichen um die Einstellung der Spannungsverstärkung.
Um die Transistorstufe nicht bis an die Verzerrungsgrenzen auszureizen, wurde letztendlich nur eine Verstärkung von 1VSS auf 4VSS vorgegeben - also ein Verstärkungsfaktor von vu = 4.

Die Spannungsverstärkung errechnet sich aus dem Verhältnis der wirksamen Wechselstrom-Widerstände am Kollektor und am Emitter des Transistors. Am Kollektor wirkt ein Wechselstrom-Widerstand von RC-ac = RAC ≈ 150kΩ; der erforderliche Wechselstrom-Widerstand am Emitter RE-ac ist zu berechnen.

Bleibt noch die Vorgabe der unteren Grenzfrequenz fgu.
Um die Gleichstrom-Dimensionierung der Schaltung nicht zu stören, muss das Eingangssignal kapazitiv eingkoppelt werden - d. h. über einen Kondensator. Hierbei entsteht ein Hochpass mit dem Basis-Spannungsteiler, dessen untere Grenzfrequenz vorgegeben werden muss.
Aus dem selben Grund muss auch bei der Einstellung des Wechselstrom-Widerstands am Emitter RE-ac ein Kondensator verwendet werden.
Zur Vermeidung unnötigen Brummens wurde eine untere Grenzfrequenz von fgu = 100Hz vorgegeben. Da sich insgesamt 2 Hochpässe überlagern, muss jeder einzelne Hochpass eine niedrigere Grenzfrequenz fgui haben, welche sich näherungsweise aus fgui ≈ fgu / √2 ergibt - im vorliegenden Fall also fgui = 70Hz.

Mit diesen Vorgaben können die fehlenden Größen berechnet werden:

Emitterwiderstand RE-ac RE-ac ≈ RC-ac / vu = RAC / vu = 150kΩ / 4 = 37,5kΩ (Zwischengröße)
Parallelwiderstand RE-p RE-p = (RE-dc · RE-ac) / (RE-dc - RE-ac) = 60kΩ → RE-p = 56kΩ
Reihenkondensator CE CE = 1 / (2 · π · RE-p · fgui) ≈ 1 / (2 · 3,14 · 56kΩ · 70Hz) = 40,6nF → CE = 47nF;
Eingangskondensator Cein Cein = 1 / (2 · π · Rein · fgui) ≈ 1 / (2 · 3,14 · 15kΩ || 82kΩ · 70Hz) = 179nF → Cein = 220nF;



4. Aufbau und Einbau

Nebenstehende Abbildung zeigt die komplette Schaltung für den externen Audio-Eingang (leider etwas provisorisch gezeichnet).

Mit den verwendeten Werten ergibt sich eine Spannungsverstärkung von vu ≈ 4,2 und die untere Grenzfrequenz liegt etwas unterhalb 100Hz.

Unten links ist ein weiteres Detail erkennbar: Kanalmischung und Überspannungsschutz.
Mittels der beiden 1kΩ-Widerstände werden die Stereo-Kanäle des externen Audio-Signals gemischt - nicht die eleganteste Methode der Signalmischung, aber sie erfüllt ihren Zweck.
Komplette Schaltung des Audio-Eingangs
Komplette Schaltung des Audio-Eingangs

Die beiden antiparallel geschalteten Dioden 1N4007 (in der Fernmeldetechnik früher auch als "Krachtöter" bezeichnet) begrenzen die Eingangsspannung auf ca. ±0,6V und verhindern andererseits eine mögliche Verschleppung höherer Spannung aus dem Radio, welche die angeschlossene Audio-Quelle beschädigen könnte.

Die Bauteile der Kanalmischung und des Überspannungsschutzes befinden sich auf einer kleinen Platine getrennt vom Verstärker. Sie ist die Schnittstelle nach außen und sollte deshalb möglichst leicht zugänglich sein.

Die Bauteile des Verstärkers befinden sich ebenfalls auf einer kleinen Platine, welche direkt an den Lautstärke-Einsteller gelötet wurde. Auch die Verbindungen zur Fahrzeugmasse und zur Heizspannung sind an dieser Stelle sehr kurz.


Kanalmischung und Überspannungsschutz
Kanalmischung und Überspannungsschutz
 
 
Verstärker
Verstärker
(die Bauteile entsprechen noch nicht der endgültigen Version)

Anschlusskabel
Anschlusskabel
Zum Anschluss der externen Quelle wurde ein ca. 0,5m langes Kabel mit 1/8"-Klinkenstecker montiert, welches in das Handschuhfach des Oldsmobile führt; hierin kann die Audio-Quelle abgelegt werden.

Bei ausgeschalteter Audio-Quelle kann man wie bisher Radio hören.

Will man Musik aus der "Konserve" wiedergeben, dann reicht es aus, den Radio-Sender geringfügig so zu verstellen, dass er nicht mehr hörbar ist; andernfalls werden beide Signale gemischt.



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(Letzte Aktualisierung: November 2021)
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