Mit der XT 500 nach Lesbos |
In der TürkeiDie Hinreise über den Balkan Zurück zur Startseite |
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Ich übernachtete im gleichen Hotel, wie im Vorjahr und erlebte für den günstigen Preis von 15 DM auch hier die bereits bekannte Zeremonie. Etwas gewöhnungsbedürftig war der Muezzin, und im Gegensatz zum vergangenen Jahr wurde man diesmal gegen 3 Uhr morgens von einem Trommelschläger geweckt, der systematisch durch die Straßen zog - es war Ramadan, und die Trommel rief die Gläubigen zum Gebet. 6. Reisetag (Edirne - Kusadasi, 750 km) An diesem Morgen schlief ich etwas länger, da die Nachtruhe mehrfach unterbrochen wurde. Außerdem hatte ich ja nur etwa 460 km vor mir - so dachte ich jedenfalls. Als ich um 9 Uhr starte ahnte ich noch nicht, dass heute eine Reihe erlebnisreicher Tage beginnen sollte. Kaum in Lapseki angekommen, fuhr ich von einem Schauer in den nächsten - für diese Jahreszeit recht ungewöhnlich. Das Wetter wurde erst in der Höhe von Lesbos beständig, der Himmel blieb jedoch gespenstisch finster. Unterwegs durfte ich erneut die türkische Gastfreundschaft genießen: Als ich mich während eines Schauers unter einem Baum unterstellte, rief mich sogleich ein Mann in sein Haus und bot mir eine Zigarette an. Gegen 18:30 Uhr erreichte ich den Hafen von Dikili, aus dem laut meiner Karte die Fähre nach Lesbos verkehren sollte. Dikili war ein total "totes Kaff", und eine Fähre gab es schon gar nicht! Es half nichts, ich musste 45 km zurückfahren nach Ayvalik. Dort erfuhr ich dann, dass die türkische Fähre erst ab Juni fahren würde und die griechische Fähre keine Touristen aus der Türkei mitnähme - Griechen und Türken... Wenn ich also nach Griechenland wolle, dann müsse ich schon nach Kusadasi, um von dort nach Samos zu fahren. Das hatte gerade noch gefehlt! Es war inzwischen 20 Uhr, und ich hatte noch 250 km vor mir. Ich betankte die Maschine und raste los, solange es noch einigermaßen hell war. Nach einer Stunde erreichte ich Izmir und hatte die Stadt nach einer weiteren halben Stunde durchquert. Draußen auf der Landstraße war es stockfinster; zudem fuhren fast alle Autos mit Fernlicht. Die Chance, mit der 6V-Motorradfunzel etwas zu sehen, war gleich null. So klemmte ich mich dicht hinter ein Auto, welches mit 80 - 100 km/h fuhr, konnte gut darüber hinwegsehen und auf diese Weise dessen Fernlicht nutzen. Gegen 23 Uhr erreichte ich Kusadasi und setzte mich völlig erschöpft in eine Pizzeria; endlich in Ruhe zu Abend essen - dachte ich mal wieder. Schon nach kurzer Zeit sprach mich ein Türke an. Er hatte das Nummernschild an der XT gesehen, und es stellte sich heraus, dass er in meiner Heimat jeden Ort und jedes Lokal kannte - was für ein Zufall. Wir unterhielten uns, besuchten nach dem Essen noch ein Bauchtanz-Lokal und gingen schließlich zum Hafen. Im Laufe des abends kam heraus, dass der Bursche aus Deutschland ausgewiesen war - anscheinend hatte er etwas auf dem Kerbholz. Das stimmte mich bedenklich, da ich diesmal keine Fähre verpassen und die ganze Zeit im Hafen ausharren wollte. In dieser Situation kam es mir gerade recht, als mich zwei Fischer ansprachen und auf ihr Boot einluden, um gemeinsam Wein zu trinken. Lieber zwei betrunkene Fischer, als ein nüchterner Ganove; tatsächlich war besagter Bursche bei den Fischern nicht allzu beliebt. Wir tranken einige Flaschen Landwein und holten um 3 Uhr morgens (!) noch eine große Tüte Speisen und Getränke. Da wir mit der XT durch die Fußgängerzone gedonnert sind, pfiff der Dorf-Polizist hinter uns her und mein türkischer Sozius rief mir zu, endlich Gas zu geben... Am nächsten Tag war alles vergessen. Erst gegen 5 Uhr morgens legten wir uns auf dem Boot zur Ruhe. 7. Reisetag (Kusadasi) Es war eine kurze Nacht, denn schon um 7 Uhr mussten die Fischer mit dem Boot auf´s Meer. Ich besorgte mir schleunigst ein Ticket - wieder für 100 DM - und wartete auf die Abfahrt nach Samos. Dabei traf ich auf einen deutschen Touristen, der leichtfertig von Samos nach Kusadasi gefahren war und unbedingt wieder zurück musste, um seinen Heimflug von Athen nicht zu verpassen. Mit drei anderen Touristen charterte er deshalb für viel Geld ein privates Segelboot, um sich hinüberbringen zu lassen. Keine Chance - nachdem ich das Segelboot stundenlang bei Gegenwind vor der türkischen Küste beobachtet hatte, mussten sie schließlich aufgeben. Der Tourist ist dann mit dem Taxi nach Izmir gefahren, um von dort nach Athen zu fliegen - so etwas kommt dabei heraus. So eilig hatte ich es zum Glück nicht und suchte am Nachmittag wieder die Fischer auf. Es gab gebratenen Fisch mit Brot und Wein, und am Abend sang Emilio, der Zigeuner, türkische Weisen. Obwohl er angeblich weder schreiben noch lesen konnte, sprach er doch annnehmbar Englisch. Ich traf den jungen Türken vom vergangenen Jahr wieder, der inzwischen seinen Unterhalt ebenfalls als Fischer verdiente, und auf seinem Boot verbrachte ich den Rest der zweiten Nacht. 8. Reisetag (Kusadasi - Samos) Ich erwachte um 6 Uhr; es war bereits Samstag. Nachdem ich Helm, Handschuhe und Schal zusammengesucht hatte, eilte ich zum Hafen - und hatte Glück: Die Fähre sollte auslaufen.
Um 8 Uhr war es soweit, und die Fähre lief aus. Im vertrauten 4er-Konvoi ging es mit den winzigen Schiffchen über das Mittelmeer, und noch am Vormittag erreichten wir Samos. Endlich in Griechenland, aber noch lange nicht auf Lesbos. Um 22 Uhr sollte die Fähre nach Lesbos auslaufen; sie kam um Mitternacht. Für griechische Verhältnisse nichts außergewöhnliches, aber als sie beim Anlegen mit einem anderen Schiff zusammenrasselte und den Hafen wieder verließ, sank meine Laune auf den Nullpunkt. Völlig übermüdet pflegte ich um Mitternacht im Licht einer Hafenlaterne mein Motorrad, fettete und spannte die Kette und schüttete ein paar Flaschen Bier in mich hinein. Zum erstenmal begannen sich die Bilder vor meinen Augen zu verzerren... 9. Reisetag (Samos - Lesbos) Es war bereits 2 Uhr nachts, als die Fähre wieder in den Hafen kam. Da meine XT das einzige Fahrzeug war, wurde nicht viel Wert auf die Anlegestelle gelegt. Um auf die Rampe zu gelangen, musste ich das Vorderrad einen halben Meter hochreißen, während am Hinterrad ein paar kräftige Helfer zupackten - aber in meinem Zustand störte mich das alles nicht mehr. Ich verzurrte die Maschine im riesigen, leeren Bauch des Schiffes, setzte mich oben in einen Pullman-Sitz, schlief eine viertel Stunde, spazierte über das Deck und sah nach der Maschine - so ging es die ganze Nacht. In der Ferne sah man das Lichtermeer von Izmir, und unvergesslich war die Konfiguration von Mond und Stern über der türkischen Küste - genau wie auf der Flagge. |