Mit der XT 500 nach Samos

 
 

In der Türkei

Die Hinreise über den Balkan            Zurück zur Startseite
 
Während die bulgarischen Grenzposten keinen nennenswerten Aufwand betrieben, waren ihre türkischen Kollegen umso eifriger:
Zuerst wurde der Reisepass geprüft. Dann wurden die Fahrzeugpapiere begutachtet und das Motorrad in den Pass eingetragen. Anschließend kam der Zoll, und erst danach durfte ich Geld umtauschen. Der Reisepass wurde mit Stempeln gepflastert.
Auszug aus dem Reisepass
Auszug aus dem Reisepass

Aber diese Prozedur war noch absolut harmlos:
Mehrere türkische Reisende mussten ihr Auto soweit "zerlegen", dass selbst die hintere Rückbank auf der Straße stand.


Auf dem Weg nach Edirne
Auf dem Weg nach Edirne
Nach der Erledigung aller Formalitäten verließ ich den Grenzübergang in Richtung Edirne, wobei ich das Wasserbecken zur Reinigung der Fahrzeuge "Ungläubiger" geschickt umfuhr.

In Edirne angekommen, suchte ich mir das beste Hotel am Platz, das PARK HOTEL.
Mit vom bulgarischen Straßendreck geschwärztem Gesicht trat ich ein und wurde mit "Grüß Gott" empfangen - der Bursche hinter der Rezeption war in Deutschland geboren.
Ich nahm ein Zimmer mit Dusche und Frühstück, welches umgerechnet 19 DM kostete. Ein Bediensteter trug meine schmutzigen Seitenkoffer auf das Zimmer und brachte die XT zur Verwahrung über Nacht in die Hotelwäscherei.
Das Park-Hotel in Edirne
Das PARK HOTEL in Edirne

Abendessen gab es im riesigen Hotel-Restaurant, wo ein Allein-Unterhalter auf einer elektronischen Orgel westliche Musik mit orientalischen Harmonien spielte - unvergesslich!
Nachdem das Menü mit mehreren Vorspeisen, Hauptgericht, Salat, mehreren Bier und einer Schachtel Zigaretten inkl. Trinkgeld umgerechnet 10 DM kostete, hatte ich zum erstenmal das Gefühl von Urlaub und Entspannung.

Geweckt wurde ich am frühen Morgen vom Sing-Sang des Muezzins und des daraufhin einsetzenden Krähen der Hähne, Bellen der Hunde, Meckern der Ziegen - auch das gehört zum Orient.



5. Reisetag   (Edirne - Selcuk, 510 km)

Gegen 8:30 Uhr startete ich die XT und fuhr zunächst weiter in Richtung Istanbul, um nach wenigen Kilometern in der Nähe von Havsa nach Süden in Richtung Izmir abzubiegen.
Über Uzunköprü und Kesan ging es weiter zu den Dardanellen, die ich im Süden überqueren wollte.


Auf dem Weg zu den Dardanellen
Auf dem Weg zu den Dardanellen
Auf der Straße wechselte rauher Schotter-Asphalt mit Schotterweg und guter, glatter Fahrbahn. Autobahnen gab es nicht, aber die geringe Verkehrsdichte und das herrliche Wetter machten das Fahren zu einem angenehmen Erlebnis.

Auch Tankstellen gab es genug, und im Gegensatz zu Jugoslawien und Bulgarien hatten Geschwindigkeitsbeschränkungen hier einen Sinn.

Zu Mittag erreichte ich die Stadt Eceabat und setzte mit der Fähre über nach Canakkale (ca. 1,20 DM). Anschließend rastete ich auf einem Campingplatz in der Nähe von Canakkale, wo einige deutsche Urlauber anzutreffen waren. Wie in Edirne wurde ich auch hier sehr freundlich aufgenommen.

Dann ging es weiter Richtung Süden.
Die Umgebung war exotisch. Auf den Straßen sah man Schildkröten, die von den Autofahrern zwischen die Räder genommen wurden. Auf den Wiesen meckerten frei laufende Ziegen und Schafe, und gelegentlich kam auch ein wilder Hund auf das Motorrad zugelaufen.


Mit der XT in Troja
Mit der XT in Troja
 
Die West-Küste der Türkei
Die West-Küste der Türkei

Die Ortschaften erschienen dagegen teilweise sehr ärmlich; verfallene Hütten mit der Aufschrift "Auto-Service" und einem großen Schrotthaufen vor der Tür.
Immer wieder sah man "Häuser" mit der Aufschrift "Gumi" als Reifen-Reparaturwerkstatt; in der Türkei offenbar bitter nötig, da oft genug Fahrzeuge mit geplatztem Reifen im Straßengraben lagen.

Außerhalb der Ortschaften wurde allgemein verhältnismäßig schnell gefahren:
Als ich z. B. einen Berg wegen starken Seitenwindes nur mit Tempo 100 km/h herunterfahren konnte, überholte mich prompt ein Bus mit Tempo 120 km/h. Das ist keine Seltenheit, da auch die Überlandbusse die Strecke Edirne - Kusadasi (ca. 660 km) an einem Tag fahren.

Da ich am Nachmittag keine preiswerte Unterkunft gefunden hatte, versuchte ich mein Glück in der Stadt Menemen - und landete in den Zigeuner-Slums, wo die Menschen reihenweise mit ihrem Hab und Gut auf der Straße lagen. Schockiert machte ich mich schleunigst aus dem Staub und fuhr weiter in Richtung Izmir.

An einer Tankstelle fettete und spannte ich erstmalig nach fast 3000 km die inzwischen völlig trockene Kette der XT und erreichte am späten Nachmittag Izmir.
Auch hier teilweise chaotische Zustände: Die Hauptstraße führte z. B. dreispurig in die Stadt hinein und wurde im Zentrum zum einspurigen Schotterweg, da der Asphalt der Belastung nicht gewachsen war.
Ähnlich war es mit einem Bahnübergang, bei dem die Schienen ca. 20 cm tiefer lagen, als der Asphalt.

Ich fuhr noch weiter bis Selcuk, wo ich am Abend ein gutes Motel fand. Mit 24 DM für Übernachtung mit Frühstück war es - einschließlich der Preise - sehr westlich eingestellt. Die extrem schlechte Telefonverbindung nach Deutschland war mit ca. 13 DM für 1 Minute jedoch total überteuert.
In diesem Motel traf ich ebenfalls einige Deutsche, mit denen verschieden Erfahrungen ausgetauscht werden konnten.


6. Reisetag   (Selcuk - Kusadasi, 20 km)


Es war der 8. Mai, und heute sollte meine Angetraute in Samos eintreffen.
Mir selbst fehlten noch 20 km, um nach einer Strecke von ca. 2900 km den Ort Kusadasi zu erreichen, von dem die Fähre nach Samos übersetzen sollte.
Bis hierhin hatte alles gepasst, aber leider hatte ich die Rechnung ohne die türkischen Fähren gemacht.
Der Ort Kusadasi
Der Ort Kusadasi

Schon am frühen Morgen erkundigte ich mich nach den Abfahrtszeiten - und bekam sofort einen Dämpfer: Der Preis von 100 DM für mich und mein Motorrad war glatter Wucher, aber ich hatte keine andere Wahl.
Außerdem sagte man mir, dass wegen starken Windes heute wohl keine Fähre mehr auslaufen würde - eigenartig, so windig war es doch gar nicht...
Da ich genug Zeit hatte, versuchte ich zunächst nach Hause und in das Hotel XENIA zu telefonieren, um dort eine Nachricht zu hinterlassen - keine Chance, es funktionierte nicht.

Schließlich fuhr ich durch eine reizvolle Landschaft in die Nachbarstadt Söke, wo ich einen Englisch sprechenden Motorrad-Mechaniker und einen mit bayerischem Akzent Deutsch sprechenden Polizisten kennenlernte. Sie luden mich zum Tee ein, und wir hatten einen netten Plausch; von hier aus konnte ich auch endlich nach Deutschland telefonieren.

Am Nachmittag unternahm ich noch einen Ausflug in den nahegelegenen Naturpark.
Unterwegs rastete ich in einem abgelegenen Restaurant und traf erneut auf außerordentlich freundliche Menschen. Das Essen war gut, und nach einem Trinkgeld von ca. 60 Pfg. kam einer der Burschen mit einer Flasche Limonen-Wasser hinter mir her, um mir die Hände darin waschen zu können.


Der Blick auf Samos
Der Blick auf Samos
Der Naturpark liegt auf einer Landzunge, die an der engsten Stelle bis auf ca. 1 km an Samos heranreicht.
Nach einer Strecke von 15 km bergauf erreichte ich den Gipfel eines Berges, von dem ich einen phantastischen Blick auf beide Seiten der Landzunge und nach Samos hatte.

Abends suchte ich mir eine billige Pension für 11 DM und freute mich auf die Fahrt nach Samos und auf meine Angetraute.


7. Reisetag   (Kusadasi)

Am nächsten Tag war ich bereits sehr früh am Hafen, doch nichts tat sich.
In der Schifffahrt-Agentur sagte man mir, dass die Fähren wohl erst am Nachmittag auslaufen würden - Inch Allah - So Gott will.
Ich wartete den ganzen Tag im Hafen, doch es kam lediglich ein Ausflugsdampfer von Samos herüber, der jedoch keine Touristen aus der Türkei mitnahm - Griechen und Türken...

Nebenbei bemerkt traf ich auf einen Amerikaner, der ebenfalls auf die Überfahrt nach Samos wartete. Wir unterhielten uns, und ich berichtete ihm stolz von meiner preiswerten Unterkunft. Daraufhin zeigte er mir eine Quittung aus der ehemaligen Karawanserei "Orient Express", in der er für umgerechnet 2 DM übernachtet hatte.

Endlich, am späten Nachmittag kamen die Fähren - und ich traute meinen Augen nicht:
Es waren 4 winzige Schiffchen der Größe eines Rhein-Rundfahrt-Bootes, mit denen die Türken 30 km über das Mittelmeer fuhren. Jetzt war mir klar, dass das nur bei Windstille funktionierte.
Auch die "Scarlanova" war dabei, das Schiff, welches mein Motorrad transportieren konnte.

Glücklich darüber, am nächsten Tag endlich nach Samos fahren zu können, suchte ich mir eine etwas komfortablere Unterkunft und beschloss, mit dem dort arbeitenden jungen Türken abends einen trinken zu gehen.


8. Reisetag   (Kusadasi - Samos)

Am Morgen des 3. Tages in Kusadasi verzichtete ich auf das Frühstück, um rechtzeitig im Hafen zu sein. Doch was musste ich sehen: Die "Scarlanova" war weg!

Langsam verlor ich meinen Humor und eilte zur Agentur. Dort hörte ich, dass das Schiff um 5 Uhr morgens leer nach Samos gefahren war, um eine Reisegruppe abzuholen und dass die nächste Fahrt frühestens am Nachmittag stattfinden würde - Inch Allah - So Gott will.
Ich ließ meiner Wut freien Lauf und beschimpfte diese Türken auf Deutsch und Englisch so gut es ging.
Immerhin erfuhr ich dabei, dass mein Motorrad überhaupt nicht im Haupthafen auf das Schiff gebracht werden konnte, sondern im etwa 2 km entfernten Yachthafen - eine einzige Katastrophe, diese Gleichgültigkeit und Unzuverlässigkeit.

Wieder lungerte ich den ganzen Tag im Hafen herum, und zur Abwechselung ließ ich für ein paar Groschen die XT waschen.

Trotz allem Ärger ist Kusadasi ein durchaus beschaulicher Ort.
Im Hafen standen auffallend viele amerikanische Oldtimer, die dort als Taxi benutzt wurden. Da ich ein eigenes Fahrzeug hatte, erübrigte sich natürlich die Fahrt mit einem Taxi. Im Nachhinein habe ich es aber bereut, nicht ein einziges mal für wenig Geld mit einem solchen Fahrzeug gefahren zu sein - wann hat man in Deutschland schon die Gelegenheit dazu?

Endlich, am späten Nachmittag, sollte mein Motorrad auf die Fähre verfrachtet werden, und ich fuhr in den Yachthafen.

Zunächst waren die Formalitäten zu erledigen.
Dann durfte ich über ein Brett auf das Schiff fahren, und die Maschine wurde ordentlich vertäut.
Anschließend wurde ein 2. Brett hingelegt, und ein italienischer Tourist balancierte seinen PKW auf die Fähre; damit war die Ladekapazität für Fahrzeuge auch schon erschöpft.
Die XT auf der "Scarlanova"
Die XT auf der "Scarlanova"

Im 4er-Konvoi ging es hinaus auf das Mittelmeer, wo es trotz ruhigem Wetters gewaltig schaukelte und die Gischt von vorn bis hinten über das Schiff prasselte.
Nach weiteren 2 Stunden erreichten wir endlich den Hafen von Samos - ich hatte es kaum noch für möglich gehalten.



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